Letztens erreichte mich folgende Anfrage einer Leserin des Buches Essanfälle adé, die ich hier mit ihrer Erlaubnis anonym veröffentlichen darf:

Liebe Frau Wollinger,

danke noch einmal für Ihr wunderbares Buch, das mir auf meinem Weg sehr geholfen hat. Ich leide gefühlt schon ein Leben lang unter Esssucht. Ich kann mich nicht erinnern, wann sie nicht da war. Ich habe letztes Jahr Mitte Februar das erste Mal angefangen mein Problem aufzuarbeiten. (auf der Basis, dass ich nun über das Krankheitsbild Esssucht wusste) Mir geht es schon viel viel besser, aber nun meine Frage: Ich habe immer mal Rückfälle, die allerdings nicht mehr so intensiv sind wie früher . Dennoch zieht es mich runter. Beispielsweise habe ich Weihnachten unachtsam, also einfach ständig ohne auf mein Gefühl zu hören gegessen, fühlte mich schlecht und habe wieder wochenlang nicht auf mein Hungergefühl geachtet nach dem Prinzip – einmal angefangen und dann hereingerutscht – Haben Sie grundsätzliche Tipps, wie man aus so einem „Loch“ schneller herauskommt?

Meine Antwort:

Liebe Frau S.,

es freut mich sehr, dass Ihnen mein Buch weiterhelfen konnte. Zu Ihrer Frage: Zunächst einmal ist die Vorbereitung wichtig, damit hinterher das Loch nicht so tief ist.
Es gibt im Jahr ein paar kritische Zeiten, auf die man sich im Vorfeld einstellen kann: Weihnachten, Ostern, Familienfeiern, Geburtstage. Es ist gut, sich mental darauf vorzubereiten und davor besonders lieb mit sich umzugehen. Also nicht zu hoffen, dass es diesmal alles kein Problem sein wird (Verdrängung), sondern damit rechnen, dass es schwierig werden könnte (Selbstehrlichkeit)

Es ist sehr wichtig, verständnisvoll mit sich zu sein, denn schließlich ist es nicht leicht, wenn Essen überall verfügbar ist, so wie es vor allem um die Weihnachstzeit der Fall ist. In diesen Zeiten ist es besonders wichtig, etwas aus der „Schmetterlingsübung“ aus dem Buch zu machen, also für sich selbst zu sorgen, als Balance zum Essen.

Mir hilft es in solchen „Essenszeiten“ außerdem besonders kritisch zu sein, also z.B. esse ich zu Weihnachten prinzipiell keine Industriekeks mehr, weil mir die nicht schmecken, ich esse nur handgemachte Bäckerei, außerdem keine billige Schokolade, sondern immer nur das Beste.

Wenn Sie doch wieder im Loch angekommen sind, dann ist Selbsttrost ganz, ganz wichtig. Sie dürfen sich bestätigen, dass Sie nicht bei Null anfangen, sondern einfach weiter machen. Jede neue Erfahrung ist wichtig, um aus der Esssucht herauszukommen. Es braucht einige Weihnachten an Übung, um keine Angst mehr vor Weihnachten zu haben 🙂
Bitte machen Sie sich bewusst, was Sie schon alles erreicht haben. Sie beschreiben ja sehr schön, dass sich die Qualität Ihrer Essanfälle bedeutend gebessert hat! Und außerdem, die Art und Weise, wie Sie Ihre Frage stellen beweist, dass Sie bereits einiges über Esssucht verstanden haben! Sie haben also allen Grund dazu, stolz auf sich zu sein!

Wenn Sie einen Tag oder ein paar Tage oder ein paar Wochen nicht achtsam waren, seien Sie sich bitte nicht böse. Wir können nicht immer an uns arbeiten, manchmal reicht es einfach und es braucht „Urlaub“, bis dann irgendwann wieder das Bedürfnis da ist, weiterzumachen (was Ihre Mail an mich ja zeigt) und dann machen Sie weiter. Immer weiter. Es ist wichtig, dass Sie sich verzeihen, Ihren Weg zur Gesundung nicht perfekt zu gehen.

Anbei noch eine nette Postkarte, die zum Thema passt.

Ich hoffe, Ihnen damit in Ihrer jetzigen Phase weitergeholfen zu haben,

mit besten Grüßen,
Olivia Wollinger

Daswirdschonwieder

Frau S. antwortete ein paar Tage später:

Liebe Frau Wollinger,

vielen Dank für Ihre schönen und wohltuenden Worte. Seit der letzten Woche habe ich es nach Weihnachten das erste Mal wieder geschafft, auf meinen Hunger zu warten und mich wieder mehr zu spüren. Über die Postkarte habe ich vor allem gefreut – Sie hängt jetzt über meinem Schreibtisch:-)

Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg auf Ihrem Weg anderen aus der Esssucht zu helfen. Ich werde Ihren Weg als Autorin auf jeden Fall verfolgen!

Herzliche Grüße
S.